Charaktere: 29 | 4w, 6m

Besetzung: Mind. 10 Darsteller | Variationen

Spieldauer: 90

Spielalter: Erwachsene, Jugendliche, Kinder

Publikum: Ab 5

Szenen/Akt: 4

Bilder: 5

Tarif: 4

Mindestgebühr/Auff.: 60,00 EUR

Allerleirau

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Allerleirau

Ein Grimm Klassiker der besonderen Art. Erfahren Sie hier mehr über diese gar so geheimnisvolle Geschichte der Prinzessin Allerleirau.
Von Bernhard Staercke

Ein König musste seiner sterbenden Frau versprechen, keine neue Frau zu nehmen, die nicht ebenso schön ist wie sie und nicht ebenso goldene Haare hat. Der König schickt Boten in alle Welt, doch es gibt nur ein paar ebenso schöne Frauen, aber keine hat ebenso goldene Haare.

Der König will nun seine fast herangewachsene Tochter ehelichen, weil sie ein Ebenbild ihrer Mutter ist und ebenso goldene Haare hat. Die Tochter wünscht sich ein Kleid, so golden wie die Sonne; ein Kleid, so silbern wie der Mond, und eins so strahlend wie die Sterne. Ferner verlangt sie einen Mantel von tausenderlei Pelz zusammengesetzt, und ein jedes Tier im Reich muss ein Stück von seiner Haut dazu geben. Wider Erwarten kann der König das Geforderte beschaffen und setzt die Hochzeit an. Die Prinzessin trifft einen sprechenden Hasen, der ihr rät weit fort in den Wald zu fliehen, wo sie in den Pelzmantel gehüllt lebt. Die schönen Kleider und ein paar goldene Gerätschaften hat sie in Zaubernüssen verpackt mitgenommen. Im Wald wird sie von Jägern des dortigen jungen Königs gefunden und mit ins Schloss genommen, wo sie dem Koch zur Hand geht, ständig in ihren Pelzmantel gehüllt, die Kapuze über ihren goldenen Haaren gezogen und die sichtbare Haut mit Asche grau gemacht.

Eines Tages gibt der junge König ein Fest. Allerleirau, wie sie genannt wird, erbittet vom Koch, dass sie für ein paar Minuten zum Fest darf. Der Koch erlaubt es. Sie holt aus einer Zaubernuss das sonnenglänzende Kleid, wäscht sich und eilt in den Ballsaal. Der König ist völlig fasziniert und tanzt mit ihr. Am Schluss des Tanzes entwischt sie und verwandelt sich wieder in Allerleirau.
Nun muss sie eine Brotsuppe kochen und Allerleirau kocht die Suppe für den König, so gut sie kann. Als sie fertig ist, holte sie einen goldenen Ring und legt ihn in die Schüssel, in welcher die Suppe ist.

Als das Tanzen zu Ende ist, lässt sich der König die Suppe bringen und sie schmeckt ihm so gut, dass er meint, niemals eine bessere Suppe gegessen zu haben. Wie er aber auf den Grund kommt, sieht er da einen goldenen Ring liegen. Da ließ er den Koch kommen und fragt, wer die Suppe gekocht hätte. Schließlich gesteht er, dass es Allerleirau war. Der König lässt sie heraufkommen und fragt, woher sie den Ring hat, der in der Suppe war. Sie sagt: „Von dem Ring weiß ich nichts.“ Also kann der König nichts erfahren und muss sie wieder fortschicken.

Dies wiederholt sich bei zwei weiteren Festen, wo Allerleirau jedes Mal ein anderes Kleid trägt und einen anderen Gegenstand in die Suppe versenkt. Nach dem zweiten Mal kommt der sprechende Hase zu Besuch und rät ihr, das Grab ihres inzwischen verstorbenen Vaters zu besuchen, um dessen Tod wirklich begreifen zu können und den Inzestversuch zu verarbeiten.
Dies gelingt, doch der Hase will sie nun verlassen, denn er war nur Wohnort für den Geist ihrer Mutter, der über sie gewacht hat.

Beim dritten Fest setzt der König alles daran, die schöne, fremde Prinzessin dingfest zu machen und steckt ihr heimlich einen Ring an den Finger. Er dehnt den Tanz stark aus und als Allerleirau schließlich mit einem Trick fliehen kann, hat sie nur noch Zeit ihren Pelz über ihr Kleid zu ziehen und vergisst auch den Finger mit dem Ring grau zu machen.

Als der König eine goldene Haspel in der Suppe findet, lässt er sie und den Koch kommen. Der König legt die Haspel an die Seite und steht auf. Allerleirau weicht zurück, doch er ergreift blitzschnell ihre Hand, an der er seinen Ring erkennt.
Allerleirau will fliehen und zerrt an der Hand. Dabei öffnet sich der Mantel und das Sternenkleid schimmert hervor. Allerleirau bemerkt es und wird starr vor Schreck.
Der König zieht ihr nun die Kapuze vom Kopf und schließlich den Mantel von den Schultern, den er mit Schwung weit von sich auf den Boden wirft.

Ein gewaltiges Raunen geht durch den Saal. Der Koch gibt ihr ein Tuch, mit dem sie sich das Grau aus dem Gesicht und von den Händen wischt.

Sie umarmen und küssen sich.



Theaterpädagogische Perspektive:

"Allerleirauh" von Bernhard Staercke ist eine geheimnisvolle und tiefgründige Neuinszenierung eines Grimm-Klassikers, die weit über ein einfaches Märchen hinausgeht. Das Stück beleuchtet nicht nur die bekannten Motive von Flucht und Verwandlung, sondern fügt psychologische Tiefe und emotionale Verarbeitung hinzu, was es zu einer besonderen Version für das moderne Publikum macht.

Zur Handlung

Die Geschichte beginnt mit einem König, der seiner sterbenden Frau versprechen muss, nur eine neue Gemahlin zu heiraten, die ihr an Schönheit und goldenem Haar gleicht. Da niemand diese Kriterien erfüllt, beschließt der König, seine eigene Tochter zu ehelichen, die ein Ebenbild ihrer Mutter ist. Die Prinzessin, entsetzt über diesen Inzestversuch, stellt scheinbar unerfüllbare Forderungen: drei Kleider (sonnengolden, mondsilbern, sternenstrahlend) und einen Mantel aus den Fellen "tausenderlei Tiere" des Reiches.

Wider Erwarten kann der König alles beschaffen und setzt die Hochzeit an. In ihrer Verzweiflung trifft die Prinzessin einen sprechenden Hasen, der ihr zur Flucht rät. Mit ihren Zaubernüssen, die die Kleider und goldene Gerätschaften enthalten, flieht sie, gehüllt in ihren Pelzmantel, in den tiefen Wald. Dort wird sie von Jägern eines jungen Königs gefunden und in sein Schloss gebracht, wo sie als Küchenhilfe arbeitet. Sie ist ständig in ihren Mantel gehüllt, die Kapuze über ihre goldenen Haare gezogen und ihr Gesicht mit Asche grau gemacht – so erhält sie den Namen Allerleirauh.

Bei drei aufeinanderfolgenden Festen schleicht sich Allerleirauh, mit Erlaubnis des Kochs, kurz ins Schloss. Sie schlüpft aus ihrem Pelz, offenbart ihre wahre Schönheit in einem der drei Prachtkleider (jedes Mal ein anderes) und tanzt mit dem jungen König, der völlig fasziniert ist. Jedes Mal entwischt sie jedoch und hinterlässt ein goldenes Utensil (Ring, Haspe) in der Suppe, die sie für den König kocht. Der König versucht vergeblich, ihre Identität zu enthüllen.

Nach dem zweiten Fest erhält Allerleirauh vom sprechenden Hasen den Rat, das Grab ihres inzwischen verstorbenen Vaters zu besuchen, um dessen Tod und den "Inzestversuch zu verarbeiten". Dies gelingt ihr, doch der Hase offenbart, dass er der Geist ihrer Mutter war, der über sie wachte, und verlässt sie nun.

Beim dritten Fest versucht der König alles, um die mysteriöse Prinzessin dingfest zu machen, steckt ihr heimlich einen Ring an den Finger und dehnt den Tanz aus. Allerleirauh kann zwar fliehen, vergisst aber, den Ringfinger grau zu machen. Als der König schließlich die goldene Haspe in ihrer Suppe findet und sie konfrontiert, erkennt er den Ring an ihrer Hand. Beim Versuch zu fliehen öffnet sich ihr Mantel, ihr Sternenkleid schimmert hervor, und der König enttarnt sie endgültig. Ein Raunen geht durch den Saal, Allerleirauh wäscht das Grau von ihrem Gesicht, und die beiden umarmen und küssen sich – das Happy End ist gefunden.

Themen

Das Stück beleuchtet folgende wichtige und vielschichtige Themen:

  • Trauma und Verarbeitung: Die Geschichte des Inzestversuchs des Vaters ist ein dunkles und schweres Thema, das hier nicht ausgespart, sondern als Auslöser der Flucht und der Verwandlung der Prinzessin dient. Die psychologische Verarbeitung am Grab des Vaters ist ein innovativer und mutiger Aspekt der Neufassung.
  • Flucht und Suche nach Identität: Die Prinzessin flieht vor einer bedrohlichen Situation und muss ihre Identität verbergen. Der Pelzmantel und die Asche symbolisieren ihre Tarnung und den Verlust ihrer ursprünglichen Identität. Die schrittweise Offenbarung ihrer Schönheit bei den Festen ist ein Akt der Wiederfindung des Selbst.
  • Schönheit und Schein: Die Kleider repräsentieren äußere Schönheit, aber die wahre Identität der Prinzessin liegt unter der Asche und dem Pelzmantel verborgen. Das Stück hinterfragt, was wahre Schönheit ausmacht und wie oberflächlich der erste Eindruck sein kann.
  • Magie und Schicksal: Die Zaubernüsse und der sprechende Hase (als Geist der Mutter) sind magische Elemente, die die Prinzessin leiten und beschützen. Sie deuten an, dass auch übernatürliche Kräfte das Schicksal beeinflussen.
  • Vertrauen und Enthüllung: Der König ist von der geheimnisvollen Tänzerin fasziniert und muss lernen, ihr Geheimnis zu lüften. Die finale Enttarnung ist ein Moment der Wahrheit und des Vertrauens.
  • Symbolik: Die drei Kleider als Sonne, Mond und Sterne sowie der Mantel aus "tausenderlei" Fellen sind starke Symbole für die Natur, die Vielfalt und die vollständige Umhüllung der Prinzessin.

Spielanreize

Das Stück bietet durch seine dramatische Tiefe, magischen Elemente und emotionalen Momente vielfältige und reizvolle Spielanreize:

  • Die Verwandlung der Prinzessin: Die Transformation von der verzweifelten Prinzessin zur grauen Allerleirauh und dann zu der strahlenden Tänzerin bietet den Darstellern enorme Möglichkeiten für physisches Spiel, Kostümwechsel und emotionale Bandbreite.
  • Magische Effekte: Das Verpacken der Kleider in Zaubernüssen, der sprechende Hase und die schimmernden Kleider erlauben kreative Bühnenmagie, Lichteffekte und geschickte Requisiten.
  • Spannung und Geheimnis: Das Rätsel um die Identität der Tänzerin und die Versuche des Königs, sie zu enttarnen, erzeugen eine kontinuierliche Spannung.
  • Emotionale Tiefe: Die Szenen mit dem Vater, die Flucht, die Einsamkeit im Wald und die Verarbeitung des Traumas bieten Raum für starke emotionale Darbietungen.
  • Der sprechende Hase/Geist der Mutter: Diese Figur ist eine Quelle der Weisheit und des Schutzes und kann eine sowohl mysteriöse als auch tröstende Präsenz haben.
  • Die Tanzszenen: Die Feste im Schloss und die Tänze des Königs mit Allerleirauh sind Höhepunkte, die elegante Choreografie und Musik erfordern.
  • Der symbolische Mantel: Der Pelzmantel kann als Requisite für Flucht, Tarnung und schließlich als Symbol für die Last, die Allerleirauh ablegt, genutzt werden.

Zielgruppenansprache

Das Stück eignet sich hervorragend für:

  • Jugendliche und Erwachsene (ab ca. 12/14 Jahren): Die tieferen psychologischen Themen, insbesondere der Inzestversuch und die Verarbeitung des Traumas, machen das Stück für ein reiferes Publikum geeignet, das über die reine Märchenerzählung hinausblicken kann.
  • Theatergruppen, die ein anspruchsvolles, dramatisches Märchen mit psychologischer Tiefe suchen: Es bietet die Möglichkeit, komplexe Charaktere zu entwickeln und eine emotionale Geschichte zu erzählen.
  • Publikum, das klassische Märchen in einer modernen, reflektierten Interpretation schätzt.

Umsetzungsideen

  • Wandelbares Bühnenbild: Ein Bühnenbild, das die Pracht des Königsschlosses, die Dunkelheit des Waldes und die schlichte Küche im Schloss des jungen Königs abbildet. Elemente könnten symbolisch und wandelbar sein.
  • Lichtdesign: Dramatisches Licht für die ernsteren Szenen (z.B. im Schloss des Vaters), warmes Licht für die festlichen Szenen, geheimnisvolles Licht für den Wald und die magischen Momente.
  • Kostüme: Die drei prächtigen Kleider sollten spektakulär sein. Der Mantel aus "tausenderlei" Pelzen kann eine beeindruckende, aber auch unhandliche Wirkung haben. Allerleirauhs "graue" Aufmachung sollte überzeugend sein.
  • Sounddesign: Stimmungsvolle Musik, die die verschiedenen emotionalen und atmosphärischen Stimmungen (Spannung, Trauer, Freude, Magie) untermalt. Naturgeräusche für den Wald.
  • Choreografie: Besonders die Tanzszenen und die Fluchtmomente sollten dynamisch und ausdrucksstark choreografiert sein.

Rollenarbeit

Die Arbeit an den Rollen erfordert von den Spieler:innen:

  • Für die Prinzessin/Allerleirauh: Die Darstellerin muss eine enorme emotionale Bandbreite zeigen – von Angst und Verzweiflung über Entschlossenheit und versteckte Schönheit bis hin zu Liebe und Erleichterung. Ihre körperliche Transformation ist entscheidend.
  • Für den König (Vater): Seine Rolle als tragische Figur, die ein unmögliches Versprechen gibt und dann zu einer extremen Tat getrieben wird. Seine Verzweiflung und seine Fehlentscheidung sind wichtig darzustellen.
  • Für den sprechenden Hasen/Geist der Mutter: Eine weise, sanfte und unterstützende Präsenz. Die Darstellerin muss die geheimnisvolle Natur des Geistes vermitteln.
  • Für den jungen König: Seine Faszination, seine Geduld und seine Entschlossenheit, das Geheimnis der Tänzerin zu lüften.
  • Für den Koch: Eine sympathische, hilfsbereite Figur, die Allerleirauh Schutz bietet und für humorvolle Momente sorgen kann.
  • Emotionale Tiefe und nuanciertes Spiel: Das Stück verlangt von allen Darstellern, die komplexen Gefühle und Motivationen ihrer Charaktere glaubhaft zu vermitteln.

"Allerleirauh" von Bernhard Staercke ist eine mutige und fesselnde Neuinterpretation eines Märchenklassikers, die nicht nur unterhält, sondern auch zum Nachdenken anregt. Es ist ein Stück, das die universellen Themen von Flucht, Identität und Heilung auf tiefgründige Weise erforscht und dem Publikum eine unvergessliche Theatererfahrung bietet.